Ordnung ist das halbe Leben –

Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung als fotografische Methode

Bachelor Projekt + Thesis

Jahr: 2018

Die meisten Menschen halten sehr viel auf ihre persönliche Meinung. Das ist auch verständlich, scheint sie doch auf unserer objektiven Beobachtung der Wirklichkeit zu beruhen. Tatsächlich filtert unser Gehirn bei der Wahrnehmung jedoch über 99% der Umweltreize nach individuellen subjektiven Ordnungskriterien aus, um angesichts der Fülle an Informationen im Alltag handlungsfähig zu bleiben.

Übrig bleibt bei dieser stark selektiven Wahrnehmung lediglich ein vereinfachter Ausschnitt der Wirklichkeit. Die entscheidende Auswahl, welche Reize wahrgenommen werden, wird dabei von uns größtenteils unbewussten Kriterien unseres Unterbewusstseins, wie verdrängten Ängsten, unserer Sozialisation oder dem Einfluss von Medien getroffen. Die Wahrnehmungsfehler, welche sich bei dieser radikalen Vereinfachung von Informationen unvermeidlich ergeben, beschreibt die Kognitionspsychologie als Stereotype und Vorurteile.

Die Arbeit „Ordnung ist das halbe Leben“ hat das Ziel, das psychologische Phänomen der selektiven Wahrnehmung zu visualisieren.

Dabei soll ein Bewusstsein für die Fehlleistungen des Gehirns geschaffen werden, um unbewusste Vorurteile im Alltag stärker zu hinterfragen.

Die Fotoserie stellt negative und faktisch haltlose Stereotype dar, welche in der breiten Öffentlichkeit jedoch häufig Anwendung finden. Der Betrachter wird so zunächst mit seinen unbewussten Ordnungskriterien aus dem Alltag konfrontiert und fühlt sich in diesen bestätigt. Die Titel der Bilder lösen im zweiten Schritt der Betrachtung auf, dass die gesehene Verifizierung der Stereotype nur über die Manipulation der Achse Zeit möglich ist.

  • Art Directors Club Deutschland (ADC),
    Auszeichnung 2019 in der Kategorie Fotografie
  • International Photography Awards (IPA),
    Honorable Mention in der Kategorie “Deeper Perspective”

Jedes Bild ist technisch ähnlich einer hundertfachen Mehrfachbelichtung im angegebenen Zeitraum entstanden. Alle Personen waren innerhalb dieser Zeitspanne an diesem Ort – nur nicht gleichzeitig. Die Manipulation der Zeitachse ermöglicht so das radikale amoralische Selektieren der Menschen anhand willkürlicher Ordnungsprinzipien, wie es in der menschlichen Wahrnehmung durch Stereotype geschieht. Gleichzeitig stellen die Titel der Bilder den Wahrheitsgehalt der resultierenden Bildcollagen in Frage.

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